Das kleine Örtchen „Lake Tekapo“, gelegen neben dem See, der ihm seinen Namen gibt, empfängt mich bei herrlichem Sonnenschein am späten Vormittag. Mein Ziel für den Tag ist diesmal nicht das Wandern, sondern Sterne schauen. Der Ort liegt im „Mackenzie International Dark Sky Reserve“ einem Gebiet, welches gute Bedingungen für Himmelsbeobachtungen bietet. Dafür haben die Gemeinden in entsprechende Infrastruktur investiert, benutzen zum Beispiel warme Lichtfarben zur Straßenbeleuchtung, welche nach oben abgedeckt ist und wirklich nur die Gehwege beleuchtet. Weiterhin sind auch die Anwohner dazu angehalten die Nachtbeleuchtung gering zu halten. Nach meiner Ankunft buche ich ein Zimmer in einem YHA Hostel. Dieses wurde erst 2018 erbaut und ist sehr modern, meinem Empfinden nach sogar das beste Hostel, welches ich bisher hier in Neuseeland vorgefunden hab. Bedingt durch die Pandemie und den fehlenden Touristen ist es so gut wie leer und ich habe sogar ein 4-Personen Zimmer für mich allein. Im Anschluss laufe ich etwas durch den Ort und am See entlang, knipse einige Fotos und genieße die Sonne. Am Abend gegen 20 Uhr besuche ich die erste Veranstaltung. Der Himmel ist klar und die Sterne lassen sich gut beobachten. Ein Mann mit dem Namen „Billy the Bard“gibt direkt neben dem See und unweit vom Hostel eine einstündige Vorstellung, bei welcher er etwas singt, einige Sternkonstellationen erläutert und dies vor allem in den Kontext der Maori-Community einordnet. Diese benutzten die Sterne bereits zur Navigation und richteten den Jahresverlauf nach ihnen. Auch familiäre Ereignisse, wie Geburt oder Tod wurden in der Vergangenheit auf spirituelle Weise mit den Sternen verbunden. Heute spielt dies allerdings weniger eine Rolle. So höre ich zum Beispiel erstmals von den „Matariki“, den sieben Schwestern bzw. in unserem Breitengrad „Plejaden“ genannt. Diese haben eine ganz besondere Bedeutung für die Maori, denn im Gegensatz zum Rest des Jahres sind sie zwischen Mai und Juni nicht zu sehen. Erst gegen Ende Juni tauchen sie exakt bei Sonnenuntergang für einen kurzen Moment wieder auf und im weiteren Jahresverlauf dann wieder länger. Aus diesem Grund ist für die Maori-Community das Ende des Monates Juni der Beginn des neuen Jahres. In dieser Zeit wird den verstorbenen Angehörigen des alten Jahres gedacht und diese betrauert, aber auch das neue Jahr begrüßt. In früherer Zeit gab es in den Stämmen der Maori einen „Astronomen“, welcher Ende Juni die Matariki beobachtete und anhand der Farbe und Helligkeit der einzelnen Sterne in dem Sternenhaufen vorhersagen für das kommende Jahr tätigte. Dabei hat jeder Stern eine separate Bedeutung, beispielsweise steht ein Stern für Ernte an Land, ein anderer für Ernte im Meer, ein weiterer für Niederschlag usw. Interessanterweise arbeiteten die Astronomen ohne Teleskop und schon damals gab es Andeutungen, dass es nicht nur sieben Sterne sondern neun oder sogar mehr sind. Der Jahresbeginn der Maori wird übrigens ab 2022 ein offizieller Feiertag in Neuseeland, um der Community die Möglichkeit zu geben, die Zeremonie über ein langes Wochenende ausreichend zu zelebrieren.
Nach der Veranstaltung begebe ich mich langsam zum Treffpunkt meines zweiten Events für den Abend. Ich nehme an einer „Stargazing Tour“ im nicht weit entfernten „Mount John Obervatory“ teil. Im Gegenteil zu vielen anderen Observatorien, welche in Städten liegen und ausschließlich dem Tourismus und der Bildung dienen, wird diese Sternwarte noch für wissenschaftliche Tätigkeiten genutzt. Mit ungefähr 12 anderen Leuten erhalte ich gegen 23 Uhr eine kurze Einweisung und eine dicke Jacke. Danach steigen wir in einen Shuttle-Bus, der uns zum Observatorium bringt, welches sich 10 km außerhalb des Ortes auf einem Berg befindet. Am Tag hat man vom Parkplatz der Sternwarte einen schönen Ausblick auf den See, in der Nacht sind Besucher:innen jedoch unerwünscht. Der Grund ist schlicht Lichtverschmutzung. Auch unser Bus schaltet auf dem letzten Kilometer sein Licht ab und kämpft sich im Dunkel der Nacht zum Parkplatz. Dann werden wir von zwei Tour-Guides in Empfang genommen, welche uns in den folgenden zwei Stunde durch die Warte führen. Sie erläutern Sternkonstellationen, philosophieren über die Entstehung des Universums und wir dürfen einen Blick durch die Teleskope erhaschen. Glücklicherweise ist die Nacht klar, dafür ist es windig und kalt und ich bin sehr froh über die dicke Jacke. Insgesamt ist es eine sehr schöne und empfehlenswerte Besichtigung, leider war es während der Tour nicht gestattet Fotos vom Nachthimmel aufzunehmen. Dieses muss ich an anderer Stelle im Dark Sky Reserve versuchen. Des weiteren fand ich die Show von Billy sehr gut. Etwas weniger professionell, dafür mit sehr viel Herzblut organisiert und völlig auf Spenden basierend. Wie er uns mitteilte, sieht er seine Veranstaltung als eine Unterstützung für die lokale Community und als eine Zugang zur Sternbeobachtung für alle Menschen. Gegen 2 Uhr liege ich im Bett und setze am nächsten Morgen meine Tour in Richtung Aoraki / Mount Cook fort.
