As I dropped out one morning...

Mr. P. is occupying Oceania

Neuer Job, neues Glück ?!

Die Zeit schreitet langsam voran, der Frühling naht. Nachdem ich bei Phil einziehe, arbeite ich für die folgenden sechs Wochen bei „agnFlow“. Wir installieren große Bewässerungssysteme, sogenannte „Center Pivot irrigations systems“, d.h. ein System mit einem Zentrum, um welches sich ein langes Metallrohr in einem Kreis bewegt. Es kann sich als Kreis vorgestellt werden, dem Mittelpunkt wird über ein Rohr Wasser zugefügt und das metallene Rohr, welches den Radius bildet, verteilt das Wasser über Schläuche und Düsen auf einer Kreisfläche. Die Anlagen werden größtenteils für sommerlich ausgedörrte Gebiete genutzt, die nicht genug Futter für Tiere spenden können. Neben dem Boss arbeiten noch Thomas und Douwen mit mir. Thomas ist zur Hälfte Schwede und zur Hälfte Australier. Er ist Elektriker und kümmert sich um die wenigen elektrischen Arbeiten an den Anlagen. Douwen ist eine junge Frau aus England, welche ebenfalls mit einem „Work & Holiday“-Visa hier ist. Gemeinsam fahren wir nach zunächst nach Bordertown, einer kleinen Stadt an der Grenze zwischen den Bundesstaaten Victoria und South Australia. Dort bauen wir über 7 Tage eine Anlage auf. Die Arbeit besteht größtenteils aus dem Sortieren aller Einzelteile, dem Heben und Verbinden der Rohre sowie dem Montieren der restlichen Teile wie Räder, Schläuche und Düsen. Insgesamt ist es eine schwere Arbeit auf entweder windigen, kalten oder von der Sonne getränkten, heißen Feldern. Der Boss Ian ist ein merkwürdiger Kauz. Wir bekommen während der „Montage“ jeder ein eigenes Zimmer und er lädt uns jeden Tag zum Abendbrot ein. Andererseits ist es mir unmöglich mit ihm zu arbeiten. Er erklärt nichts und egal was ich beginne, es ist immer falsch. Gelegentlich wird er aggressiv, wenn es ihm nicht schnell genug geht oder Dinge nicht nach seinem Willen geschehen. Irgendwie erinnert mich das an meine Lehrzeit. Jedenfalls habe ich entschieden, solch einen Schrott nicht noch einmal mitzumachen. Weiterhin ist seine Einstellung sehr fragwürdig. Ein bisschen Chauvinist und zudem Hass auf Gewerkschaften und Arbeitssicherheit.

Nach dieser ersten Montagefahrt geht es zu einer weiteren in den fernen Nordosten nach Queensland. Die Fahrt dauert ungefähr drei Tage, wobei wir unterwegs auch Ersatzteile ausliefern und eine Reparatur durchführen. Insgesamt wirkt die Arbeit mit Ian nicht sehr effizient. Die Bewässerungssysteme haben ihren Ursprung in den USA. Ian vertrieb die Anlagen in Australien. Teile der Anlagen kamen zudem aus Südamerika. Mittlerweile jedoch hat er sich mit chinesischen Herstellern zusammengetan und lässt die Anlagen nun als Kopie mit einzelnen Anpassungen dort deutlich billiger produzieren. Seine Verbesserungen betreffen dabei das Steuerungssystem, also den Schaltschrank. Die Teile aus Südamerika nutzt er dabei immer noch, nur das Grundgerüst aus den USA hat er ersetzt. Vielleicht gab es dabei auch Streitigkeiten, keine Ahnung. Für uns relevant ist nur die Problematik mit dem Steuerungssystem. Ian hat einfach die Schaltpläne des amerikanischen Systems genommen, mit einigen Details anderer Hersteller kombiniert und dies in die chinesische Produktion gegeben. Nun stehen wir vor einer Steuerung, welche nicht funktioniert, keine lesbaren Schaltpläne besitzt und Ian nicht in der Lage ist uns zu erklären, welche Funktionalität er sich vorstellt. Thomas und ich stehen Stunden vor den Schaltschränken und müssten eigentlich das gesamte System komplett neu verdrahten, um es zum Laufen zu bringen. Ich frage mich deshalb bereits von Beginn an, ob es wirklich so kostensparend und clever ist ein patentiertes System als quasi Kopie in China produzieren zu lassen, wenn man sich den Umfang der Nachbesserungen und die australischen Stundenlöhne anschaut. Weiterhin ist auch die Qualität fürchterlich. Wir müssen sehr viele zusätzliche Zeit investieren, um beispielsweise Löcher größer zu bohren, scharfe Kanten abzuschleifen oder Dichtungen anzupassen. Scheinbar wirft das Unternehmen aber genug ab oder Ian verkauft das System als Original amerikanisch 🙂

Die Montagefahrt nach Queensland dauert insgesamt ca. 14 Tage und verläuft ähnlich wie zuvor. Nur die Landschaft in Queensland erschüttert mich. Es ist Frühlingsbeginn und die Felder sehen bereits aus wie Mondlandschaften, total ausgedörrt. Auch die Temperaturen liegen bereits bei 30 °C am Tag. Ich frage mich, ob das langfristig sinnvoll ist. Thomas, welcher vor seiner Arbeit bei agnFlow für ein Jahr auf einer Rinderfarm in Queensland arbeitete, erklärt mir einige Details. So sind die Rinderfarmen riesig, haben vielleicht die Größe von einem halben Deutschland oder mehr. Die Zahl der Rinder liegt im 100.000er Bereich. Diese Größe ist notwendig, um rentabel zu bleiben. Die Rinder laufen frei herum und sind entsprechend nur noch mit Hubschraubern zusammen zu treiben. Ist dies notwendig (z.B. für medizinische Untersuchung oder ähnliches) entstehen schnell Kosten von 10.000 bis 15.000 €. Um genügend Wasser in solchen trockenen Regionen für diese Anzahl an Tieren zu haben, werden Grundwasseradern in 100 m Tiefe angebohrt. Die Kosten liegen hier bei ca. 400.000 € pro Bohrung. Die Regierung finanziert solche Investitionen teilweise oder ganz (konnte ich nicht in Erfahrung bringen), wenn es den Arbeitsplätze schafft (also Investition in eine Business). Die Bohrung genügt dann je nach Bedingungen und Verbrauch für 10 – 15 Jahre. Dann muss erneut gebohrt werden, nur tiefer. Es gibt wohl auch ganze Städte, welche in den Regionen mittlerweile im Sommer auf dem Trockenen sitzen und mit Wassertrucks beliefert werden müssen, um zu überleben. Mir fällt dabei eine Nachrichtenbeitrag ein, wo ein Bürgermeister einer solchen Gemeinde in Queensland andere Bürgermeister in Victoria um eine Wasserspende bittet. Ich finde das alles Wahnsinn. Diese massiven Investitionen und Ressourcenaufwendungen, nur für eine handvoll Arbeitsplätze. Nicht erwähnt ist dabei auch der Schaden für die Ureinwohner, welche vorwiegend in diesen nördlichen Regionen leben (oder besser gesagt dorthin vertrieben wurden, da diese Landstriche nicht ökonomisch auszubeuten und damit gut genug für die Aborigines sind). Solche riesigen Rinderherden suchen natürlich Wassertümpel oder Seen zum Trinken auf. Die Aborigines überliefern sich die Orte der Wasserquellen und suchen sie im Sommer bei ihren Wanderungen ebenfalls auf. Nun kann es vorkommen, dass solch eine Wasserressource von den Rinder aufgebraucht wurde und die Ureinwohner nach tagelangen Märschen kein Wasser mehr vorfinden. Dies bedeutet für sie dann meist den Tod. Während sich die Farmen die Informationen über Wasserstellen relativ problemlos beschaffen können, sind es bei den Ureinwohnern überlieferte Informationen, welche in der Regel keine schnellen Updates erfahren. Economy first, concerns second. Business as usual in Australia.

Nach der Montage in Queensland kündige ich den Job. Ian ist verärgert, nimmt es aber hin. Es wundert mich etwas, da ich das Gefühl hatte, auch er sein nicht Glücklich mit mir. Wahrscheinlich liegt es an Thomas, welcher gleichzeitig seine Kündigung einreicht und er nun keine Elektriker mehr hat. Ich suche einen neuen Job und werde schnell fündig. Ich bewerbe mich bei einem Unternehmen, welches Großküchen baut. Am Telefon bespreche ich die Details mit Andrew, dem Eigentümer. Er verspricht mir, mich in der Werkstatt zur Metallverarbeitung einzusetzen. Die Firma nennt sich „Crawford Kitchens“, kauft Schiffscontainer ein und baut diese in mobile Küchen, Kühlräume oder Sonderanfertigungen um. Diese umgestalteten Container werden verkauft oder vermietet. Der größte Auftraggeber sind unter anderem die „Australian Opens“, welche traditionell im Januar stattfinden. Die Produktion läuft daher kurz vor Weihnachten auf Hochtouren. In den Containern ist auch etwas Elektrik notwendig und dafür hat Andrew einen externen Elektriker, der diese Tätigkeit durchführt. Er versichert mir daher zudem, dass ich mit diesem zusammenarbeiten kann. In der ersten Woche darf ich sogar komplett bei dem Elektriker arbeiten. Dies klingt sehr vielversprechend und ich sage zu.

Ich verabschiedet mich von Phil und seiner Familie und ziehe weiter nach Mansfield. Dieses kleine Städtchen liegt in den Victorianischen Alpen und ist ein begehrtes Wintersportgebiet. Im Frühling und Sommer ist dagegen weniger los. Ich quartiere mich zunächst im örtlichen Hostel für teuer Geld ein (“cheapest accommodation in town” wird mir jedoch versichert). Dann beginne ich meine erste Woche beim Elektriker Brendon. Dieser hat einen Auszubildenden namens Ben und führt alle möglichen elektrischen Arbeiten durch, meist jedoch die Installation von Solarpanels. Es wird die beste Arbeitswoche, welche ich bisher in Australien erlebe. Wir installieren hauptsächlich Solarpanels. Dies ist komplett neu für mich. Es ist zwar nicht sehr aufregend und schnell gelernt, jedoch sehr interessant, besonders, da Brendon viel erklärt, über die Vorschriften, welches Material oder Hersteller er bevorzugt oder über Probleme, welche auftreten können. Zudem ist er einfach ein lustiger Typ. Wir fangen gegen 08 Uhr morgens an und er ist auf der Baustelle der Erste, welcher gegen 15 Uhr fragt, ob wir Feierabend machen wollen, weil er keine Lust mehr hat 🙂 Des weiteren erzählt er mir ein wenig über die Kleinstadt. So hat Mansfield eine „Steiner“-School, welche bei uns als Waldorfschule bekannt ist (gegründet von Rudolf Steiner). Die Schule zieht viele Familien an und zu seinem Leidwesen auch viele Elektriker 🙂 (später erfahre ich, dass er auch wegen der Schule in Mansfield gelandet ist). Dies könnte erklären, warum ich in der Stadt relativ viele alternative Läden zähle (Bio-Läden oder auch handgemachte Kleidung), eher unüblich für die ländliche Gegend.

Die zweite Woche beginne ich dann bei Crawford Kitchens. Es wird schnell ernüchternd. Natürlich ist nichts mit Metallverarbeitung oder elektrischen Tätigkeiten. Ich werde wieder mit sinnlosen Arbeiten wie Containerwände abschleifen, Küchencontainer reinigen oder Kühlräumen bauen beauftragt. Die Kühlräume bestehen aus 12 einzelnen Wänden, 3 Deckenteilen sowie 2 Türen. Diese werden montiert und verklebt, zuvor muss jedoch eine Laserfolie von den Wänden abgezogen werden, was mein Job ist. Nach dem Verkleben müssen die Fugen mit Silikon versiegelt werden. Auch dies fällt in meinen Aufgabenbereich. Die Arbeit ist langweilig und ich beginne schon wieder die Tage zu zählen. Die Bezahlung lässt zudem auf sich warten, da es wohl einige Engpässe gibt. Dies betrifft aber nicht nur mich, sondern auch andere Kollegen (jedoch mich zuerst, da ich unwichtig bin). Interessanterweise bin ich der einzige Backpacker hier. Die anderen Kollegen sind überwiegend sehr jung und kommen aus der Region. Ich verstehe mich gut mit Ihnen und so sind die Pausen ein wenig aufmunternd. Da mir die Kosten im Hostel zu teuer sind, suche ich nach einer Alternative. Schnell werden ich im Internet fündig und ziehe in eine WG um. Eine junge Frau mit den Namen Corrin möchte bald nach Thailand gehen und dort als Lehrerin arbeiten. Um sich für die Reise ihre Reserven aufzustocken, vermietet sie ein Zimmer in ihrer kleinen Wohnung. Es ist sehr angenehm und gelegentlich sitzen wir beim Abendbrot zusammen. Falls ich etwas Zeit finde, dann schaue ich mir am Wochenende die nähere Umgebung an.

Vielleicht noch eine kleine Anekdote zum Schluss. Am 11. November gegen 11 Uhr (kurz vor Faschingsbeginn) stehe ich mit der Flex in der Hand da und schleife an ein paar Blechen rum. Plötzlich hört die Maschine auf zu laufen. Kurzer Check, ob Bedienerfehler, dann schnell verärgert über die Rotzlöffel von Kollegen, welche mir wieder einen Streich spielen. Ich drehe mich um und blicke verdutzt in die Gesichter, welche fast in einer Linie aufgereiht vor mir stehen. Während mir ein Anwesender andeutet ruhig zu sein, dreht ein Anderer am Regler des Radio. Es tönt für ungefähr eine Minute ein militärischer Trauermarsch auf. Wie sich rausstellt, wird am 11. November ganz pathetisch und offiziell dem Ende des 1. Weltkrieges gedacht.

Here you should see a shipping container
Schiffscontainer mit integriertem Kühlraum (fast fertig gestellt)
Here you should some fools
Brigade Crawford

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