Nach den Besichtigungen der ersten Woche droht für die folgende Tage Langeweile aufzutreten. Daher beginne ich nun Reisepläne auszuarbeiten. Dafür eignet sich die Victoria State Library. Hier gibt es kostenloses Internet und zahlreich Bücher mit Informationen. Parallel versuche ich mehr Einheimische kennenzulernen. Dafür besuche ich zum Beispiel eine Küche für Alle (Küfa), welche ich im Internet ausfindig gemacht haben. Mir bekannt aus der Heimat, ist der Sinn gemeinsam zu Kochen, zu Essen und sich zu Unterhalten. So vergehen die Tage und in der dritten Woche wechsle ich das Hostel und wandere in eine Unterkunft etwas weiter im Norden, wo es ruhiger ist. Das Hostel ist deutliche größer und hier ist vermehrt das klassische Backpacker Klientel anzutreffen. Das heißt junge Europäer*innen meist aus Frankreich, Deutschland, UK, oder Italien, die für ein Jahr voller Spaß und Party nach Australien gekommen sind. Dies entspricht nicht (mehr ?) meinen Vorstellungen und so werden Gespräche seltener. Trotzdem finde ich auch hier ein paar angenehme Menschen wie Son aus Taiwan, Pablo aus Chile oder Joe aus England. Mit diesen sitze ich gemeinsam beim Abendbrot oder besuche am Wochenende auch mal eine Bar.
Die öffentlichen Verkehrsmittel in Melbourne sind in Ordnung, aber nicht perfekt. Das Zentrum und einige Vorstädte sind gut zu erkunden. Andere Stellen erreicht man wiederum gar nicht. Ein Grund warum für die ortsansässige Bevölkerung ein Auto meist unverzichtbar ist. Es gibt neben Straßenbahnen und Bussen auch eine Metro und regionale Züge. Vor allem die Metro wird im Stadtkern aktuell ausgebaut, was den nächtlichen Lärm an meiner ersten Unterkunft erklärt. Ein Highlight ist die Free Tram Zone im Central Melbourne District (CBD). Hier können alles Straßenbahnen kostenlos benutzt werden. Dies ist besonders für Touristen schön, da fast alle Sehenswürdigkeiten im Zentrum liegen. Vielleicht wurde es aber auch extra für diese eingeführt. Zudem finde ich die Nutzung des ÖPNV relativ günstig. Die Einteilung erfolgt in Zonen, wobei die Vorstädte mit allen Straßenbahnen in den Zonen 1 und 2 liegen. Eine Tageskarte kostet ca. 5 Euro, am Wochenende und Feiertagen sogar nur 3 Euro. Die Abrechnung erfolgt mittels einer Prepaid-Karte und nennt sich “myki”. Die Karte ist zu kaufen und aufzuladen. Beim Einstieg wird sie an ein Terminal in den Bahnen oder Bussen gehalten. Die Berechnung erfolgt vom System automatisch und kann im Internet überprüft werden. Ist die Karte nicht aufgeladen, so verhält es sich wie mit einer Kreditkarte, welche negativ belastet wird. Bei der nächsten Aufladung wird der fällige Betrag sofort gegen gerechnet. Die Karte muss auch für Züge im regionalen Verkehr in der Umgebung von Melbourne genutzt werden. Bei einer Kontrolle wird der Betrag auf der Karte kontrolliert. Als Nachteil diese Systems sehe ich die Bewegungsprofilerstellung einer jeden Person, sonst finde ich es eigentlich ganz komfortabel.
Aufgrund der eingeschränkten Erreichbarkeit einiger Stadtteile sowie der langen, der weitläufigen Stadt geschuldeten, Laufwege beschließe ich mir ein Fahrrad zuzulegen. Neben einigen Fahrradläden, die auch Gebrauchträder anbieten, gibt es eine Internetplattform namens “Gumtree”. Sie ist vergleichbar mit Ebay-Kleinanzeigen. Hier werden viele Sachen und Gegenstände wie Fahrräder angeboten. Leider werde ich nicht fündig oder die angebotenen Räder befinden sich irgendwo in den Außenbezirken Melbournes. Darum nehme ich den Tipp eines Freundes aus Dresden wahr, welcher ein Jahr in Melbourne lebte und gehe zu einer Fahrrad-Selbsthilfewerkstatt im weiter oben bereits erwähnten Umweltzentrum CERES. Die Werkstatt nennt sich Bike-Shed (Fahrrad-Hütte) und ist großartig ausgestattet. Es gibt hier gebrauchte Räder, Ersatzteile, Werkzeug und viel Platz. Zudem sind die freiwilligen Helfer nett und das Angebot wird von vielen Locals angenommen. Zu einer normalen Öffnungszeit schauen hier 20 bis 30 Leute vorbei, um ihre Räder fit zu machen. Ich werde auch fündig und beginne mein Rad zu reparieren. Die Werkstatt hat Samstags und Sonntags geöffnet und ich verbringe die folgenden Wochenenden hier. Parallel schaue ich mir das Umweltzentrum an. Hier gibt es groß angelegte Gärten, Bildungszentren für Schulen, einen Lebensmittelladen und ein Café. Das Obst und Gemüse wird nach Biostandards angebaut und anschließend im Laden verkauft. Am Wochenende ist das Café ein sozialer Treffpunkt für Familien und auch kleine Bands spielen auf einer Freifläche.
Eine weitere Beschäftigung in diesen Tagen ist die Jobsuche. Australien hat hohe Lebenshaltungskosten. Um die Reisepläne umsetzen zu können muss ich daher auch arbeiten gehen. Dafür benötige ich aber zunächst eine Steuernummer (Tax File Number) und ein australisches Bankkonto. Beides habe ich bereits in der ersten Woche beantragt. Jobmöglichkeiten gibt es viele. Die meisten Tätigkeiten können von ungelernten Personen ausgeführt werden. Eine klassische Ausbildung ist daher hier nicht üblich. Arbeiten sind beispielsweise auf Farmen, auf dem Bau, in Lagerhallen, in Produktionen oder im Hotel- und Gastronomiegewerbe zu finden. Mein erster Gedanke ist es, auf dem Bau als Elektriker tätig zu werden. Leider ist dies dann doch nicht so einfach möglich. Die Handhabung ist zwischen den Bundesstaaten verschieden. Hier in Victoria muss zunächst ein Eignungstest durchgeführt werden. Danach muss ein Jahr unter Aufsicht eines zertifizierten Elektrikers gearbeitet werden, bevor man auch Selbstständig tätig sein kann. Aus diesem Grund suche ich zunächst nicht weiter nach Jobs in dieser Richtung, sondern schaue mich weiter nach normalen Bautätigkeiten und Arbeiten auf Farmen um. Dafür nutze ich erneut Internetportale wie Gumtree, wo es zahlreiche Jobangebote gibt. Will man auf dem Bau tätig sein Bedarf es einer sogenannten “White Card“. Damit wird Nachgewiesen, dass man sich der Gefahren auf den Baustellen bewusst ist, die Sicherheitsvorschriften kennt und anwendet und sich die persönliche Schutzausrüstung richtig anlegen kann. Sie kostet zwischen 35 und 130 Dollar.
Beliebter Farmjob bei Backpackern ist das Fruit picking, das heißt Früchte ernten. Hier ist jedoch Vorsicht geboten. Während in der Regel eine stündliche Bezahlung erfolgt und der durchschnittliche Stundensatz laut Regierung nicht unter 18 Dollar liegen sollte, wird das Ernten von Früchten nach Mengen bezahlt, also Akkordarbeit. Es wird zwar mit hohen Bezahlungen pro Kilogramm gelockt, diese Stückzahlen sind jedoch kaum zu schaffen. Auch wurden mir viele Geschichten über betrügerische Farmen zugetragen. Durch die „Working and Holiday“-Abkommen mit zahlreichen Nationen ist in Australien eine Backpacker-Industrie entstanden. Neben Vorteilen für die Tourismusbranche wird dies auch von vielen Unternehmen ausgenutzt, da Backpacker willige Arbeitssklaven sind. Die Farmen liegen meist abseits von großen Städten. Um Unterkünfte muss man sich selbst kümmern oder sie werden von Farmen gegen Gebühr zu Verfügung gestellt. Manche Farmen locken mit viel Arbeit in kurzer Zeit und guter Bezahlung. Tatsächlich ist dann aber nur wenig Arbeit vorhanden und die wöchentliche Bezahlung reicht gerade für die Miete. Vor solchen Farmen nimmt man sich am Besten in Schutz, indem man im Internet nach Bewertungen such und viel mit anderen Backpackern spricht. Glücklicherweise hilft einem in diesem Fall auch die lasche Arbeitsgesetzgebung. So können Jobs einfach wieder aufgeben werden, wenn man das Gefühl hat, ausgebeutet zu werden. Ein richtiger Arbeitsvertrag existiert nicht. Die Bezahlung erfolgt wöchentlich und man sollte darauf achten, dass diese wirklich stattfindet. Auch hier gibt es Betrug. Letztlich ist es aber eine Sache der Erfahrung. Es wird immer gute und schlechte Jobs geben.

Umweltzentrum CERES in Melbourne

Bike Shed – Die Fahrrad-Selbsthilfewerkstatt in Melbourne