… heißt ein berühmter Popsong. So kitschig verliebt könnte man es sich auf einer Obstplantage vorstellen. Leider ist das nicht der Fall. Jedoch geht es entspannt los. Das Team besteht zu Beginn aus einigen wenigen Personen, meist mit französischen Wurzeln. Es gibt drei große Bosse, die ich aber nie kennenlerne. Sie besitzen das gesamte Unternehmen und einer von ihnen schaut wohl hin und wieder vorbei, so wird mir berichtet. Dann gibt es Barbara, welche die Büroarbeit leitet, Greg, Dilan, Raymond, Camille und Sabrina, die französischen Vorarbeiter*innen, sowie Nick und Silvio, das niederländische Vorarbeiter-Duo. Ich bin der erste gewöhnliche Backpacker der neuen Saison. Der Fachkräftemangel macht sich zunehmend bemerkbar, denn noch immer sind pandemiebedingt die Grenzen geschlossen, jedoch verlassen mehr und mehr Backpacker das Land, um ihre Reise woanders fortzusetzen oder zu beenden. So müssen sich die Unternehmen auf dem lokalen Markt umschauen und greifen z.B. auf Schüler*innen zurück. Mit mir starten folglich zwei Schülerinnen. Weiterhin gibt es lokale Subunternehmer, d.h. sie erledigen die gleiche Arbeit, aber auf Rechnung. Es ermöglicht ihnen ein höheres Einkommen, denn trotz Mangels werden die Stundenlöhne natürlich nicht erhöht. Somit wird die Arbeit für die lokale Bevölkerung nicht attraktiv. Einige machen sich selbstständig und bieten dann an, gegen Rechnung zu arbeiten. Sie erhalten dann einen höheren Stundenlohn, haben aber einen höheren bürokratischen Aufwand. Warum die Plantagen-Besitzer die Subunternehmer mit höheren Stundenlöhnen unter Vertrag nehmen, anstelle sie direkt, aber mit einem höheren Stundenlohn einzustellen, erschließt sich mir nicht. Jedenfalls wird das Team kurz nach mir noch mit Te Ata, Maddy, Ano und Stephan ergänzt. Später folgen noch die zwei Locals Sarah und Stephan sowie ein Team von 15 Leuten aus Samoa.
Die ersten vier Wochen sind wir damit beschäftigt Bäume zu verschneiden und zu trainieren (Tree-Pruning, Tree-Training) oder zu pflanzen. Aber eigentlich gibt es ein viel größeres, sehr zähes Projekt. Die Besitzer haben sich dazu entschieden alle Blöcke (so werden die einzelnen Plantagen genannt) mit einem Regenschutz zu versehen. Die Installation ist allerdings sehr aufwendig und erfordert viele Arbeitskräfte und Material. Das System kommt übrigens aus Deutschland. So müssen die Blöcke zunächst mit Metallpfosten bestückt werden, d.h. zuerst werden diese in den Boden gerammt und danach Halterungen angebracht. Daraufhin werden Stahlseile im Schachbrett-Muster gespannt und diese dann mit den Halterungen an den Pfosten montiert. Die Stahlseile werden im Anschluss mit Gummibändern bestückt, welche später zum Einrollen der Abdeckungen gebraucht werden. Es folgt das Ausrollen der Plastik-Abdeckungen auf dem Boden, welche dann aufgehoben und mittels Plastik-Clips an den Seilen befestigt werden. Danach werden weitere Plastik-Clips installiert, an welche zusätzliche Schutzfolien gebunden werden, die nach dem Einrollen der Abdeckungen über diese gestülpt werden, um sie im Winter vor dem Wetter zu schützen. Hängt die Plastik mit einem Ende an den Seilen, muss sie im nächsten Schritt am anderen Ende mit weiteren Plastik-Clips ausgestattet werden, die es ermöglichen zwei Folienhälften miteinander zu verbinden und damit eine Reihe von Bäumen abzudecken. Nun gibt es aber noch Lücken zwischen den Clips, durch welche Vögel hindurch schlüpfen können. Daher müssen diese Lücken mit Kabelbindern geschlossen werden. Zum Ende muss dann noch um den gesamten Block ein Netz gespannt werden, um auch hier das Eindringen von Vögeln zu verhindern. Die Schritte sind nicht gerade einfach zu erklären, aber ich denke es wird deutlich, wie aufwendig es ist. Am Ende der Saison werden die Kabelbinder wieder aufgetrennt, die Abdeckungen aufgerollt und mit der Schutzfolien umschlossen. Die ganze Arbeit erfolgt in 4 – 8 m Höhe mit hydraulischen Leitern („Hydra-Ladder“). Diese Maschinen sind ziemlich laut, nicht ganz zuverlässig und brauchen etwas Übung.
Nick ist bereits seit Juni damit beschäftigt, die Metallpfosten zu installieren und die Drähte zu spannen. Er ist ein bisschen verrückt und arbeitet meist 16 h pro Tag. Die großen Hindernisse sind Materialmangel und Verzögerungen in der Lieferung. Als gegen Ende September mal wieder etwas Material verfügbar ist, werde ich in die Arbeit eingespannt, lerne die hydraulische Leiter zu bedienen und fahre nun durch die Blöcke, um Halterungen anzuschrauben oder Gummibänder zu installieren. Zwischendurch arbeite ich auch mit den Samoan Boys zusammen, um bereits erste Netze gegen Vögel zu installieren. Die Kommunikation mit den Boys ist nicht immer einfach, jedoch die Arbeitsatmosphäre sehr gut, denn es ist egal welches Wetter oder andere Probleme vorherrschen, die Jungs sind immer gut gelaunt, lassen ihre Pop- oder Reggaemusik laufen und singen dazu lauthals. Ich denke in so einer Atmosphäre würde in Deutschland so manche Baustellenarbeit schneller von der Hand gehen.
Eigentlich soll das Regenschutz-Projekt vor Erntebeginn abgeschlossen werden, denn mit den Maschinen werden die reifen Kirschen schnell beschädigt. Natürlich ist auch die Arbeitssicherheit der Pflücker*innen am Boden wichtig. Doch leider sind die Abdeckungen weit und breit nicht in Sicht. Sie liegen noch in irgendwelchen Häfen herum, da es zu wenig Schiffscontainer gibt. So werden wir das Ziel nicht erreichen. Der große Chef entscheidet jedoch die Arbeit auch während der Ernte fortzusetzen. Gegen Anfang November ist es soweit, die Abdeckungen werden geliefert. Jetzt werden alle Leute auf das Projekt angesetzt. Wir werden durch weitere Backpacker ergänzt, Rob, Ben und Teddy aus UK sowie Jeremy aus Brasilien. Gemeinsam cruisen wir die folgenden Wochen durch die Reihen und wiederholen die monotone langweilige Arbeit: Abdeckungen aufheben, clippen, aufheben, clippen… Da das Projekt drängt, wird auch die Schlagzahl erhöht und wir arbeiten jetzt 12 h pro Tag und mindestens 6, manchmal auch 7 Tage hindurch. War der September weitestgehend sonnig, so fielen Oktober und November so ziemlich ins Wasser mit vielen nassen, schlammigen Tagen. Erst gegen Mitte Dezember kommt der versprochene Sommer und nun wird es auf den Leitern in 6 m Höhe sehr warm. Die Tage sind wenig abwechslungsreich und ziehen sich entsprechend. Aufmunterung bei dem warmen Wetter verspricht ab und zu ein wenig Eiscreme.
Aus der Stadt Roxburgh, wo sich meine Unterkunft befindet, führt ein Highway nach Alexandra, vorbei an all den Obstplantagen der Region und zudem an kleinen Verkaufsläden (Fruit-Stalls), in welchen das Obst verkauft wird. Nicht weit von unseren Blöcken gibt es auch einen Fruit-Stall, welcher zudem frische Eiscreme anbietet und mir etwas Aufmunterung an den langen warmen Tagen bringt. Meine Unterkunft ist ein ehemaliges Hotel was nun in ein Heim für Saison-Arbeiter umfunktioniert wurde. Hier wohne ich zusammen seit Beginn der Ernte Anfang Dezember mit einer weiteren Gruppe von Leuten aus Samoa. Zuvor war ich fast allein im Hotel. Das Jahresende rückt näher und über die Feiertage haben wir frei. Zu Weihnachten fahre ich zum Wandern nach Wanaka. Silvester verbringe ich am Meer in einem Ferienpark in Pounawea. Zwischendurch gehe ich im Cluth-River schwimmen, fahre mit dem Rad am Fluss entlang oder mache einen Spaziergang entlang des “Commissioners Track” in der nähe vom Staudamm in Roxburgh-Village.
Das neue Jahr beginnt, wie das Alte endete. Wir setzen die Arbeit mit den Abdeckungen fort. Die parallel verlaufende Ernte läuft zufriedenstellend. Jedoch sehr langsam und mit schlechterer Qualität bedingt durch den Fachkräftemangel. Geht uns das Material mal wieder aus, so werden wir hin und wieder auch zum Kirschen pflücken geschickt, was etwas Abwechslung bringt. Schließlich ist das Ende vom Januar erreicht und mein geplanter Urlaub nah. Die Ernte ist beendet und wir schließen tatsächlich gleichzeitig mir der Installation des Systems ab. Nun müssen alle Abdeckungen, wie weiter oben erläutert, aufgerollt werden. Ich beginne dies Tätigkeit noch, beende aber meine Anstellung zwei Wochen später. Es wird Zeit, denn die langen, endlosen Tage haben mich sehr müde gemacht.
Für den Urlaub habe ich keine großen Pläne aufgestellt. Dafür bringt die Pandemie noch immer zu viel Ungewissheit. Zwar konnte die Delta-Variante weitestgehend erfolgreich (und wieder meiner Erwartungen) über den Sommer unterdrückt werden, aber die neue Omikron-Variante steht bereits in den Startlöchern und könnte zu neuen Restriktionen führen. So werde ich einfach langsam in Richtung Norden fahren und bei Gelegenheit für Sightseeing, Wanderungen oder Radtouren anhalten. Erstes Ziel ist allerdings Dunedin, da ich nochmals eine Runde tauchen gehen möchte.